Sonntag, 21. März 2021

Kiambu Level V Hospital oder Was ich als Gynäkologin noch lernen kann

 Manchmal geschehen ja Wunder, zuweilen sogar mir.

Auf meine Nachfrage am Mittwochnachmittag im Medical Center, wie weit die Erstellung der Impflisten für unser medizinisches Personal vorangeschritten sind, bekam ich zur Antwort, dass alles erledigt und geprüft wäre und ich ab sofort ins Kiambu Level V Hospital fahren könnte, um die Impfung zu erhalten. 

Nun lebe ich ja schon vier Jahre hier. Immerhin lang genug, um realistisch einschätzen zu können, dass ich das niemals in diesem Krankenhaus allein auf die Reihe bekommen würde. Was also tun? Umgehend ging mein Angebot per WhatsApp raus ans Medical Center, ob denn jemand vom Staff gleich am nächsten Morgen mitkommen und meine Fahrdienste in Anspruch nehmen möchte. 

Ich hatte Glück. Immerhin zwei. Alle anderen hatten Angst und wollten erstmal abwarten, ob wir drei die Impfung überleben. Aha......

Also ging es gleich am Donnerstagmorgen los. Und zwar in die entgegengesetzte Richtung, um zunächst erst einmal meine kenianischen Mitimpfwilligen abzuholen. Mit Boniface und Mother Leah waren wir nun zu dritt auf dem Weg ins größte und beste Krankenhaus im County Kiambu. 

Zu finden war es leicht, Einfahren durfte man jedoch nicht. Da half dann auch kein rotes Nummernschild. Also machten wir uns auf Parkplatzsuche auf den Straßen davor. So richtige Parkplätze gibts da nicht, die meisten kommen wahrscheinlich auch mit anderen Verkehrsmitteln. Irgendwo fanden wir dann eine kleine Lücke auf einem sandigen Streifen zwischen ein paar Straßenhändlern. Hätte ich meine kenianischen Begleiter nicht bei mir gehabt, hätte ich überhaupt nicht auf die Dame im gelben Kittel eine Straße weiter geachtet. Ich wurde jedenfalls darauf aufmerksam gemacht, dass wir nun hier, bei der gelben Dame eine Parkgebühr zu entrichten hätten. Na das war ja mal interessant. Sie war geduldig mit mir und führte mich an meinem Handy Step by Step durch einen 7 Schritte umfassenden Bezahlprozess der Parkgebühr in Höhe von 100 Ksh. Als Empfänger dieser Gebühr wurde dann die Landesregierung von Kiambu ausgewiesen. Naja, die sollten die Parkgebühren vielleicht mal nutzen, um Parkplätze zu schaffen, oder jemanden, der auf die Autos aufpasst. Aber nun gut, es funktioniert ja auch ohne Improvement.....

Nach also nun langwierigem Bezahlprozess traten wir also durchs Tor des Krankenhauses. Überall Zelte und hunderte von ordentlich in Reihen aufgestellten weißen Plastikstühlen. Wir fragten uns durch, verirrten uns, fanden den Weg wieder, passierten schwer bewachte Tore und waren nach einigen Irrwegen endlich an der Stelle angekommen, an welcher der heiße Stoff verimpft wurde. Eine winzige unscheinbare Hütte mit weit geöffneter Tür und reichlich Personal darinnen. Davor eine Traube von ca. 20 Menschen. Es dauerte etwas, bis wir den Prozeß durchschaut hatten. Auch wenn alles wie ein chaotisches Durcheinander wirkte, war es doch erstaunlicherweise irgendwie organisiert.

Zunächst bestand unsere Aufgabe darin, zu warten. Auf was auch immer. Aber ich habe in den letzten Jahren gelernt, dass Geduld sich hier oft auszahlt. Ab und zu trat eine junge Dame aus dem kleinen Kabuff und einige von uns hatten die Möglichkeit sich bei ihr in ein Buch einzutragen und anzumelden. Zumindest Namen, Telefonnummer, Arbeitsort und so. Naja, nun standen wir immerhin schonmal in einem Buch. Einer nach dem anderen wurde dann in diese Hütte gebeten, um sich zunächst auf einen Stuhl in der rechten hinteren Ecke zu setzen, im Anschluß nach Aufforderung auf einen Stuhl in der linken Ecke zu wechseln und sich dann dort in ein zweites noch größeres Buch einzutragen. Hatte man dieses Procedere erfolgreich bestanden, erhielt man in aller Öffentlichkeit die Impfung. 

Nachdem ich es also ins Kabuff bis auf den Stuhl in der rechten hinteren Ecke geschafft hatte, wurde ich nach kurzer Wartezeit aufgefordert, meinen Sitzplatz auf den Stuhl in der linken Ecke zu verlagern. Dort wurden dann alle Daten nochmal in das zweite große Buch aufgenommen. Diesmal inklusive der Pass-ID Nummer. Nun habe ich ja gar keinen richtigen kenianischen Pass, sondern nur den für Diplomaten. Und jetzt wurde es schwierig. Während ich also alle meine Daten in das große Buch eintrug, tippte ein Krankenhausangestellter alle meine Infos in eine Maske auf einem iPad ein. Und dieses System mag Diplomaten-IDs nicht. Hatten wir ja schon öfter. Es wurde also hin und her probiert, das ganze gut durchorganisierte Impfprocedere kam gehörig ins Stocken und niemand störte sich daran. Während ich zunehmend nervös wurde, beruhigte man mich und tüfftelte und probierte und telefonierte. Und irgendwie klappte es denn doch. Im gleichen Moment, in welchem meine iPad Registrierung akzeptiert und damit abgesendet werden konnte, erhielt ich per SMS auf mein Handy eine Nachricht mit der Chargennummer des Impfstoffes, den ich ja noch gar nicht erhalten hatte und einem Termin für die Zweitimpfung. Da soll man doch sagen was man will, das soll in Organisation erstmal einer nachmachen!

In allgemeiner überschwänglicher Freude, dass das gesamte anwesende Personal sozusagen in Teamarbeit meine erfolgreiche Registrierung bewerkstelligt hatte, wurden dann Fotos geschossen. Sozusagen als Erinnerung. Und ich wurde herzlich verabschiedet. Bis zum 13. Mai, dann wissen aber alle wie das mit mir und meinen Nummern geht. 

Während meiner Wartezeit dort kamen auch zwei Gynäkologinnen aus der Gegend zum Impfen. Man bekommt das ja mit, aufgrund der Gespräche. Und ich habe wieder etwas gelernt. Kenianische Gynäkologinnen bevorzugen High Heels. Also besser noch High High Heels. Gerne in Lack und Knallfarbe. Naja, das mit der Integration ist ja so eine Sache. Ich hab zumindest drüber nachgedacht, bleibe dann aber doch lieber bei meinen geliebten sansibarischen Blümchensandalen. Vielleicht langweilig, aber näher am Boden.....

Impressionen:

Wartezonen überall


Feuerlöscher an jeder Ecke


Tore, Gitter, Wachschutz 






Listen, Listen und noch mehr Listen


rechte hintere Ecke


heißer Scheiß Astra


geschafft


Mittwoch, 17. März 2021

Frühstück mit Aussicht

Ja, wir waren mutig und nach unserem letzten Wochenenddesaster nicht abgeschreckt. Vielleicht haben wir auch zu viele Abenteuergene im Blut - wir wollten es jedenfalls nochmal wissen...

Nach einiger Recherche hatten wir erneut ein verträumtes Wochenenddomizil auserkoren und gebucht, die Kinder verkauft und natürlich (ich dachte, ich fass es nicht) Handwerker für den Samstagvormittag einbestellt.  Nämlich genau diese, welche schon beim letzten Mal nicht erschienen waren. 

Es sollte diesmal besser für uns laufen. 

Die Sonne schien, die Handwerker waren pünktlich und sogar die Kinder erstaunlicher Weise bereits gegen 10 Uhr wach und aufgestanden.

Und so hatten wir diesmal einen wesentlich besseren Start. Nach dem Desaster vor drei Wochen hatten wir uns diesmal für die altbewährte Strecke durch die Stadt entschieden. Und wir sollten belohnt werden. Kein Stau! Und das ist Samstag Mittag ein kleines Wunder. 

Und was für ein hübsches Hotel hatten wir ausgesucht. Klein, persönlich, wundervoll. Sogar meine Lieblingsrosen (Blanchette) waren überall im Haus verteilt. 

Und so genossen wir den gesamten Nachmittag und vertrödelten die Zeit. Ohne Computer, ohne Emails. Nur Bücher, Ruhe und Gin & Tonic. Was braucht es mehr....

Und es hätte ruhig so bleiben können. Tat es aber nicht. 

Manchmal frage ich mich wirklich, warum ausgerechnet uns manche Dinge passieren. Besonders die skurrilen. Ziehen wir sowas an? Warum? Was machen wir falsch?

Während wir uns also eben gerade an den für uns so liebevoll eingedeckten Frühstückstisch auf der Terrasse setzten und die ersten Schlucke des einigermaßen erträglichen Morgenkaffees genossen, stürmte ein kleiner Japaner mit Charlie Chaplin Frisur grußlos an uns vorbei  und wies das Personal an fünf seiner Koffer direkt vor unserem Frühstückstisch auf der Wiese abzuladen. Aha......

Und nun begann der Spaß. Ein Koffer nach dem anderen wurde sorgfältig ausgeräumt und die Sachen auf der Wiese vor unseren Augen verteilt. Nur um sicher zu gehen, dass ihr mich richtig versteht - Hosen, T-Shirts, Hemden, Badehose und so weiter. Souvenirs wären mir lieber gewesen. Ich bekam ein wenig Angst zu viele von den Unterhosen präsentiert zu bekommen. 

Da stand er nun, der kleine Japaner. 2 Meter vor unserem Tisch und bot uns großes Kino. Wir fingen an, uns neben Omelett, Fruchtsalat und Käsebrot köstlich zu amüsieren. Irgendwie erinnerte mich die Situation an einen der alten französischen Avantgarde-Stummfilme. Fehlte nur noch der Mann am Klavier, der nebenbei mit den Füßen in der Wasserschüssel planscht, um die passenden Geräusche zu produzieren. 

Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und fragte, ob das denn vielleicht ein Flohmarkt werden solle. Und siehe da, der Japaner sprach zu uns: er wäre ein Künstler aus Paris und möchte jetzt alle Dinge fotografieren, die er besäße. Er hätte nämlich auch einige Koffer bei einer Freundin mit dem gleichen Inhalt und wollte nun sichergehen, Dinge nicht in dritter Ausführung zu kaufen. Wäre ja auch exzentrisch, 3 T-Shirts zu haben oder vier Hosen. 

Es gibt Probleme, die verstehe ich schon aus genetischen Gründen nicht. Erzieherisch wurde ich ebenfalls anders geprägt. Meine Mutter brachte mir beizeiten bei, auf Fahrten in den Urlaub immer etwas Wichtiges zu vergessen, um dann Einkaufen gehen zu müssen. Sie hat das tatsächlich mal mit einem Wintermantel ausprobiert. Hat geklappt, aber ich glaube mein Papa hatte sie spätestens auf dieser Reise durchschaut. Einen neuen Wintermantel gabs dann am Urlaubsort trotzdem. 

Und während wir also unbeirrt weiter frühstückten, fing der Künstler an, seine ausgebreiteten Dinge zu fotografieren. Übersichtsfotografie sozusagen. Und um alles auf ein Bild zu bekommen, stieg er zunächst auf einen kleinen Stuhl an unserem Tisch. Ein Schritt weiter nach hinten und er hätte mit seinen nackten Füßen auf dem Tisch neben meinem Käsetoast gestanden. Hauptsache das Bild ist gelungen.....

Ich kenne diesen Künstler aus Paris nicht. Vielleicht ein armer Student, vielleicht tatsächlich einer von den etwas verrückten und bereits bekannten. Wer weiß.....

Wir hatten jedenfalls ein Frühstück mit Aussicht.....

Die Unterkunft können wir trotz allem, oder vielleicht gerade deshalb, uneingeschränkt empfehlen.