Sonntag, 19. März 2023

Willkommen Samuel ODER Mit dem Po voran ins Leben

Tage im Medical Center sind wie ein Potpourri und meistens wirds spannend, wenn man eigentlich gar nicht soviel Zeit hat. Letzten Freitag zum Beispiel. 

Da klopft es zaghaft an unsere Sprechzimmertür. Das ist ja schonmal ein Fortschritt, hab ich gedacht. Normalerweise wird immer gleich die Tür aufgerissen. Deshalb schließen wir uns in der Gyn Sprechstunde immer mit den Patientinnen ein. Sicher ist sicher. Nun ja, es klopfte also recht zaghaft an die Tür. Klang nicht dringend. Wir beendeten unsere Untersuchung. Kurz vorm Öffnen der Tür dann nochmal ein etwas fordernderes Klopfen. Na gut...  Eine etwas verschrocken dreinblickende Krankenschwester berichtete, dass es im Nebenzimmer einen Notfall gäbe. "Soso" dachte ich, da hätte man ja mal etwas energischer Anschlagen können. Was war denn los?

Im Nebenzimmer lag eine halbentkleidete Patientin schweigend auf einer Liege. So wie der Bauch aussah offensichtlich schwanger. Auf dem Tuch zwischen den Beinen dicke grüne Flüssigkeit (stellt euch Erbsensuppe vor). Nurse Jane meinte mit belegter Stimme, es gibt keine Herztöne und wir hätten es hier mit einem verstobenen Baby zu tun. Sie hätte von der Scheide aus getastet und der Kopf wäre schon ganz weich. Die Patientin sei heute das erste mal in der Schwangerschaft zu einer Kontrolle gekommen.

Manchmal ist es ja wirklich schlimm, aber oft auch nur halb. Also erstmal schauen. Beim Untersuchen habe ich habe ich tatsächlich auch etwas Weiches getastet. Das war aber kein Kopf, sondern der Po von einem Baby. Und der wollte raus. Mit Hilfe des Ultraschallgerätes war schnell klar, dass das kleine Babyherzchen sehr wohl schlug, nur eben an anderer Stelle als erwartet. 

Ok, erstmal alle beruhigen. Also ich meine alle aufgeregten Krankenschwestern. Die Mutter Ruth und ich waren relativ relaxed. 

Das Baby wollte also raus. Die mit dem Ultraschall kontrollierten Herzschläge sahen einigermassen übel aus. Wehen hatten wir nur schwache, ein Medikament um die Wehen stärker zu machen war nicht vorhanden. Ich hab Ampullen mit Oxytocin (Wehenmittel) zu Hause im Kühlschrank. Der war aber weit weg. Und der Liebste hätte es bringen können, uns rannte aber die Zeit weg. Irgendjemand kam auf die geniale Idee ein anderes Medical Center in der Nähe anzufragen und während wir also schon einen venösen Zugang legten, machte sich ein Motoradtaxi auf den Weg, um uns das Medikament zu besorgen. 

Immerhin hatten wir Sauerstoff. Nützte leider bei dem nur noch träge arbeitenden kindlichen Herzchen nicht viel. Aber besser als gar nichts. Naja, auf unser Medikament konnten wir nicht warten, Wehen hatte Ruth bedauerlicherweise nahezu keine. Option Kaiserschnitt stand nicht zur Verfügung.

Also einfach pressen lassen, auch ohne Wehe. War mal was Neues. Auch für mich. Grosses Erstaunen erntete ich beim Personal, als ich Ruth pressen ließ und den Po aber mit einem Tuch fleissig zurückpresste in den Geburtskanal. Immer wieder. Immerhin haben sie mich machen lassen. Irgendwann hatten Ruth und ich dann soviel Druck in der Gebärmutter aufgebaut, dass wir es wagen konnten. Po und Bäuchlein kamen ganz rasch. Die Nabelschnur recht dünn und schlaff, die Ärmchen unglücklicherweise beide über dem Köpfchen hochgeschlagen. Wenn man nun gelernt hat, wie man  ein Baby in solch einer Situation bewegt und dreht und die Ärmchen rauspuzzelt, dann klappt das auch (immer wieder Danke Sven!). 

Da hatten wir nun also unser kleines Bündel. Recht blau und schlaff, aber eine ordentliche Handtuchmassage kann hier Wunder bewirken. 


Samuel heisst der kleine Mann, der so mit seinem Po voran ins Leben geplumst ist. Was er für eine Zukunft hat vermag ich nicht zu sagen. Für den Anfang hatte er jedenfalls sehr viel Glück.....



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