Samstag, 14. September 2019

Ein Fest für Hildah oder 200 Kikuyu und ich

Oh man oh man. Das war was. Da war ich nun also zu Hildahs Beerdigung eingeladen worden. Irgendwo draußen auf dem Land. Zum Glück hatte ich Mitfahrer im Auto, die mir den Weg ins Hinterland weisten. Ich hatte im Medical Center angeboten, drei Leute mitzunehmen. Es warteten fünf auf mich. Ich solle mir keine Sorgen machen, ich hätte ja ein rotes Nummernschild. Gesagt getan. Alle irgendwie ins Auto gestapelt. Und dann ab ins Nirgendwo. Weit ab vom Schuss ins Hinterland. Zunächst noch über Straßen, später waren es nur noch holperige Feldwege.

Wie erwartet war es eine große Trauergemeinde. Alle fröhlich bunt angezogen. Das ganze Dorf war zusammengekommen. Die Feier fand im Garten der Eltern statt, in dessen Mitte ein wirklich schöner weißer Sarg aufgebahrt war. Nun waren die Feierlichkeiten bei unserem Eintreffen bereits in vollem Gange. Wir fünf versuchten uns am Rande zu halten, jedoch kaum entdeckt wurde ich ins Zentrum gezogen und auf  einen Stuhl drapiert.

Hildah im Sarg, ich auf einem Stuhl und um uns 200 Kikuyu. Es war irgendwie bizarr.
Und ergreifend.

Und es war ein Fest!

Es wurden unzählige Reden gehalten. Traurige, lustige, meist auf kikuyu, manche auf englisch (mir zu Ehren). Es wurde stundenlang gepredigt, gebetet, getanzt und sich ab und zu in Ekstase gesungen. Hier und da fiel jemand um. Wie mir erklärt wurde gehören die Ohnmachtsanfälle zum Ritual.

Und ich konnte beobachten, wie die Zeremonie, die der Priester leitete, tatsächlich therapeutische Bezüge aufwies. Er lies die Menschen weinen und schreien und hatte ein gutes Gespür dafür, wann es genug war. Dann erfolgte der Wechsel zu Witzen. Und so war es stundenlanger Wechsel der Gefühle.

Hildah wurde dann mit ihrem Sarg im elterlichen Garten zwischen Maispflanzen und im Schatten von drei Bananenstauden begraben. Alle durften irgendwie dabei helfen. Und dann standen wir da, dicht gedrängt um das Grab. Haben jeder eine Hand voll Erde geworfen und nach dem Zubuddeln der Grube Blumen auf den Erdhügel "gepflanzt". Meist Mitbringsel vom Wegesrand, wir hatten ein paar Rosen dabei.


Und während noch die Blumen der Reihe nach aufs Grab gelegt wurden, erschallte aus einem Zelt im Garten bereits Partymusik. Jetzt wurde gefeiert. Und gegessen. Es gab Unmengen an Reis, Kohl und Bohnen. Alle Nachbarn hatten gekocht und das Essen in riesigen Waschschüsseln mitgebracht. Hallelujah.

Und so entsetzlich traurig wir auch alle waren, irgendwie war dieser Nachmittag heilsam.
Für uns alle.

Dem Baby geht es soweit gut. Demnächst davon mehr.

Montag, 9. September 2019

Werwölfe in meiner Küche?

Kennt ihr das? Wenn man so in seine Arbeit vertieft ist und seine Umwelt nur partiell wahrnimmt? Ich befinde mich jedenfalls öfter in einem solchen Zustand. Sehr zur Freude meiner Kinder, die solche Gelegenheiten mittlerweile sehr rasch erkennen und sich Zustimmungen von mir zu unterschiedlichsten Vorhaben einholen. Sie haben sehr schnell gelernt, dass ich in diesen Momenten nur mit halbem Ohr zuhöre und ein "Ja, ist ok." sehr unkompliziert in der Tasche haben.

Heute Vormittag gab es wieder so eine arbeitsintensive Phase. Ich hämmerte konzentriert auf die Tasten meines Computers ein, während Metrine, unsere Haushaltsfee, in der Küche wirtschaftete. Und irgendwann stand sie dann neben mir. Und irgendwie etwas außer sich berichtete sie mir, das wir in der Küche ein Problem hätten. Ich vermutete wie gewohnt die Wasserleitung als Ursache ihrer Aufregung. Aber nein, rief sie. Wir hätten Werwölfe in der Küche. Ah, ja. Na gut. Was?????

Mmh, nun wurde ich doch aufmerksam. Ich fragte nochmal nach. Ja, es wären Werwölfe. Mehrere! Ich dachte ja immer noch, ich hätte mich verhört und ließ mir das Wort erst buchstabieren und dann aufschreiben. Es blieb dabei...Werwolf. Dabei haben wir den nächsten Vollmond erst Ende der Woche. Und Boniface ging im Garten hörbar seiner Lieblingsbeschäftigung nach - Hecken verschneiden. Er konnte es jedenfalls nicht sein.

Ich nutze die Gelegenheit gerade am Computer zu sitzen und bat das www. um Bilder zum Subjekt.


Nun sah mich Metrin ganz entsetzt an. Nein, unsere sähen anders aus. Und wären auch viel kleiner.
Na, da war ich aber beruhigt.

In unserem Reisvorratsglas tummelten sich munter lauter kleine Käferlein. Aufgrund der Größe der Population nahm ich an, dass wir sie samt Reis bereits beim Kauf miterworben hatten. Als Bonus sozusagen.




Wir haben die Kornkäferlein pragmatisch samt Reis in Hundefutter umfunktioniert und gekocht. Immerhin sind sie doch recht proteinhaltig. Und so hat sich wenigstens einer von uns über die Plage gefreut.
Unser Whisky.

Mittwoch, 4. September 2019

Hildah ist tot

Ach man. So eine verdammte Scheiße. Manchmal hab ich einfach keine anderen Worte.

Hildah ist tot. 34 Jahre und gerade mal in der 32. Schwangerschaftswoche.

Ja, Hildah war sehr sehr herzkrank. Und es war absolut unglücklich von ihr, zum Zeitpunkt ihrer großen Herzklappenersatz-OP schwanger zu werden. Und nach vielen Gesprächen mit ihr im Medical Center und noch mehr Pro und Kontra hatte sich Hildah für das Austragen des Babys entschieden.

Das Baby entwickelte sich prächtig, Hildah baute zunehmend ab. Die kardiologische Betreuung war nahezu nicht vorhanden. Obwohl hier die größte und angeblich beste Klinik Kenias involviert war. Aller vier bis fünf Wochen mal eine Konsultation. Wenn überhaupt.

Geplant hatten wir in zwei Wochen einen Kaiserschnitt. Aber es sollte nicht so sein...


Hildah hat das Baby gestern zu Hause bekommen. Allein. Irgendjemand hat sie danach in eine kleine staatliche Klinik gebracht, welche sie aufgrund der dramatisch verschlechterten Herzsituation rasch ins angeblich beste Krankenhaus Nairobis verlegt hat.
Nämlich genau in die Klinik, in der ihr Herz operiert worden war und in der die Nachsorge nahezu nur theoretisch stattgefunden hatte.
Dort wäre sie fast nicht behandelt worden, erst eine Email aus Deutschland, die eine Kostenübernahme bestätigte, ermöglichte überhaupt die Aufnahme.
Zu spät.....
Hildah hat die Nacht nicht überlebt.

Manchmal könnte man einfach nur brüllen, aber ich weiß gar nicht, wen ich hier anschreien soll. Das Gesundheitssystem ist eine Katastrophe, auch wenn es manchmal anders erscheint.
Nichts geschieht ohne Vorkasse.

Und ja, natürlich bieten die großen Kliniken alles an. Vom Herzklappenersatz bis zur Nierentransplantation.




Ist doch prima, so ein Paket. Da kommt man dann mit seinem selbstausgesuchten (oder gekauften) Spender und hat sogar noch 14 Tage Nachsorge inclusive. Wahrscheinlich telefonisch. Und die Laboruntersuchungen vor und nach der OP bekommt man für die Hälfte des ansonsten exorbitant überhöhten Preises. Ein Schnäppchen!

Und bei Hildahs Herzen lief es genauso.
Was für eine immense Ungerechtigkeit in dieser Welt.

Hildahs Baby ist noch im Krankenhaus. Ein 1700 g Bündel ohne Mama. Zum Glück ziemlich fit. Viel wird hier nämlich nicht für Frühchen getan.

Vielleicht wäre Hildah auch in Deutschland gestorben. Ich weiß es nicht. Aber dort hätte man wenigstens alles menschenmögliche versucht, ihr zu helfen.