Jetzt bin ich schon seit einer Woche aus Laisamis zurück - und ich kann immer noch nicht schlafen.....
So oft schon war ich dort oben. Habe mit Mädchen und Frauen gesprochen, gearbeitet, aufgeklärt und beraten. Ich habe vieles gesehen in den letzten 6 Jahren. Wirklich. Die Hitze, die Trockenheit, den Hunger. Alles ist dort oben gegenwärtig. Ich habe in den 25 Jahren als Frauenärztin gelernt, Schlimmes nicht mit nach Hause zu nehmen. Das gelang manchmal besser und manchmal schlechter. Ich habe auch in Deutschland furchtbare und traurige Dinge erlebt. Aber was ich in den Tagen in Laisamis gesehen habe, ist unvorstellbar.
Infektionen, Narben, Komplikationen. Die Mädchen werden mit etwa 10 Jahren in ihren Dörfern beschnitten. Meist Grad 4, dass heisst alles wird weggeschnitten. Alles. In Hütten, unsteril, wahrscheinlich mit stumpfen Klingen. Damit sich nichts infiziert werden die Wunden dann in den Tagen nach dem Eingriff mit Salzwasser ausgewaschen. Das muss Brennen wie die Hölle. Naja, es ist die Hölle. Meist überleben die Mädchen. Die, die es nicht tun, verbluten oder sterben an Infektionen und werden begraben. Merkt ja niemand, nur wenige sind registriert. Mit 12 werden die Mädchen dann verheiratet, oft mit alten Männern, die schon mehrere Frauen haben. Wenn sie Glück haben, lassen die Männer sie bis zum 15. Geburtstag in Ruhe. Dann beginnen die Vergewaltigungen, wenns schlecht läuft fängt es schon eher an. Dann reissen die alten Narben auf, es kommt zu erneuten Verletzungen und Infektionen. Ohne Behandlung führen die wiederum zu Unfruchtbarkeit, die dann ein Verstossen und Ächten nach sich ziehen.
Ich bin in Laisamis zu einer Geburt gerufen worden. Eine junge Frau bekam ihr erstes Kind. Die Situation war furchtbar. Sie lag auf einer Liege, unter ihr Gummimatten voller Blut. Drumherum standen schweigend drei Helfer. Niemand sprach mit der Frau. Niemand erklärte, wie und wann man presst. Niemand hielt ihre Hand. Obs dem Kind gut geht interessierte niemanden. Das kindliche Köpfchen war noch weit oben im Geburtskanal, aber ein Dammschnitt war schon gemacht worden. Einfach so, Routine. Angeblich wegen der Beschneidungen. Nötig wäre es nach meiner Einschätzung nicht gewesen. Da standen also im Morgengrauen drei Helfer schweigen um die Liege und das Blut sickerte auf den Boden. Wieder nur Gewalt. Körperlich und psychisch. Ich habe dann die Geburt übernommen und versucht zu zeigen, dass es anders geht, aber so was verpufft dort.
Und während wir Ärzte dort oben versuchen punktuell zu lindern, lese ich parallel in einigen WhatsApp- und Email Gruppen mit, wie einige hier in Nairobi darüber diskutieren, ob diese Arbeit unterstützenwert ist oder nicht.
Schlimmes nicht mit nach Hause nehmen...klappt oft - diesmal leider nicht. Kennt ihr das, wenn man nur noch im Strahl kotzen könnte? Ich habs getan. Auf halbem Heimweg, in Nanyuki. Bei Barneys mitten auf den Rasen. Wieder und immer wieder. Eine Weiterfahrt war nicht möglich, mein Kreislauf spielte nicht mehr mit. Gott sei Dank gibt es auf Strassenseite gegenüber ein nettes Air BnB.
Im Grunde genommen hat sich nicht mein Magen unwohl gefühlt, sondern meine Seele musste das rauslassen. Im Strahl kotzen...kann auch heilsam sein.
Wir werden übrigens in nahezu gleicher ärztlicher Formation in der letzten Septemberwoche wieder nach Laisamis fahren. Wieder ein Camp. Wieder die gleichen Bilder. Aber wenn wir wenigstens zweimal im Jahr fahren, können wir vielleicht doch mit der Zeit etwas bewegen.
Inshallah...
Ich bewundere dich sehr
AntwortenLöschenIch kann es nicht glauben...Man sieht wie schlecht es Deiner Seele geht. Was kann ich tun, außer Dich von Ferne zu umarmen.
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