Sonntag, 17. März 2019

Eine kenianische Hochzeit oder wie ich die Toilette des Bischofs benutzen durfte

Da hatten wir doch, gemeinsam mit einem befreundeten Paar, das Glück, zu einer kenianischen Hochzeit eingeladen zu sein. Gestern. Das ist schon etwas Besonderes. Gerade für uns als Muzungus hier in Afrika. Eingeladen hatten uns Duncan & Rosalyn. Den Bräutigam kenne ich aus Mathare. Er arbeitet dort als Sozialarbeiter in dem Projekt, in welchem wir immer die Sanitary Pads nähen lassen.
Im Grunde genommen wußten wir nicht so recht, was da auf uns zu kommt. Nachdem wir also am Morgen die Kinder "verkauft" hatten, das Geschenk gebastelt war (ein paar größere Geldscheine filigran gefaltet und arrangiert), hübschten wir uns auf und tranken einen letzten Kaffee. Wir hatten Michaels Fahrer für den Morgen bestellt und hofften, dass er den Ort der Feierlichkeiten leichter finden würde, als wir. Wir verließen also das städtische Nairobi und fanden uns bald in völlig unbekanntem Gebiet wieder. Tiefster Slum. Die Kirche mittendrin, schwer zu finden. Und nun denkt man ja als Frau in so einer Situation praktisch und bittet den Fahrer, doch mal jemanden am Straßenrand nach dem Weg zu fragen. Ich bin mir nicht sicher, vielleicht ist das ja irgend sowas genetisches auf dem Y-Chromosom. Auch kenianische Männer scheuen sich davor, so etwas Entwürdigendes zu tun. Half ihm allerdings nichts, unser zunehmendes Fordern ließ ihm keine Wahl.

Irgendwann waren wir dann am Ort der Feierlichkeiten angelangt. Die Gegend war für mich nach  nun fast zwei Jahren Kenia immer noch derart beängstigend, dass wir unseren Fahrer in diesem Moment für den ganzen Tag buchten. Und so hatte ich zumindest stets das beruhigende Gefühl, das Auto steht direkt vorm Eingang.

Und mir war ja klar, das es nicht, wie auf diversen Programmen angekündigt, morgens um zehn losgeht. Aber als um halb zwölf endlich ein großes Auto mit bunten Lichtern reifenquietschend vorfuhr, hoffte ich doch inständig, die Braut würde nun endlich erscheinen. Nö. Es war der Bischof. Angesichts der Größe seines Autos war mir augenblicklich klar, dass die Kollekten hier sehr großzügig ausfallen müssen. Der Bischof erschien also mit zwei Bodyguards in schwarzen Anzügen, die sich übrigens in der gesamten Zeit seiner Anwesenheit, das Funkgerät ständig in Bereitschaft, maximal fünf Meter von diesem entfernten. Ist ja auch gefährlich in so einer Kirche.



Nach nun jedenfalls reichlich Tamtam und Tänzen und Brimbamborium erschien dann irgendwann mit zwei Stunden Verspätung die Braut. Hallelujah.


Mittlerweile waren wir ob der unerträglich lauten Beschallung schon fast taub. Ich habe selten in meinem Leben meine Trommelfelle vibrieren gespürt. Gestern allerdings schon. Die Trauung zog sich nun ein wenig hin. Viel Gesang, viel Tanz, viel Predigt. Und zwischendurch immer wieder für ein paar Sekunden das Einspiel einer Harmonium Orgel, die genauso blechern klang, wie früher in den 70-iger Jahren. Erklang jedenfalls die Orgel, standen alle auf, bewegten Schultern, Arme und den Hintern im Sinne einer kurzen Tanzeinlage und setzten sich dann wieder. Nun war also nach geraumer Zeit die Trauung vollzogen. Es war mittlerweile gegen ein Uhr mittags. Aber nein, es war nicht zu Ende. Ohne Unterbrechung begann nun der Gottesdienst. Wieder Predigten, Gesang und Tanzeinlagen. Ich verstehe jetzt auch, warum in afrikanischen Kirchen so oft zwischendurch getanzt wird. Man kann gar nicht stundenlang auf diesen Plastikgartenstühlen sitzen. Da ist die Bewegung zwischendurch eine willkommene Abwechslung.
Ich brauchte nun allerdings, ob dem immensen Lärm, eine Pause. Und was bietet sich da an? Frauen müssen doch immer mal ihre Blase erleichtern. Immer ein guter Grund. Und wie ist das so bei Frauen, die gehen gemeinsam aufs Klo. Aus diesem Grund befand Sigrid, die neben mir saß, es für wichtig, mich zu begleiten. Nun gab es da allerdings gar keine öffentliche Toilette. Allerdings genügend Wachpersonal für den Bischof. Und, ja, ich schäme mich ein wenig, aber manchmal ist es hier hilfreich, blond und hellhäutig zu sein. Uns wurde jedenfalls angeboten, die ansonsten verschlossene und wahrscheinlich heilige Toilette des Bischofs zu benutzen. Dem Himmel sei Dank! Dazu mussten wir dann auch sein Büro durchqueren. Einblick ins Allerheiligste der Kahawa West Gemeinde.

Nach unserer Rückkehr geschahen weitere merkwürdige Dinge. Dem Bischof standen zwei Diener zur Seite. Einer hielt das Mikrofon, der andere war Schweißabwischer und kam dieser Aufgabe auch aller zwei Minuten sorgfältig nach.



Merkwürdig war ebenfalls, das nach diversen Hallelujahs eine Art Kunstschnee (oder vielleicht auch Rasierschaum) aus Dosen in die Luft gesprüht wurde. Sozusagen als eine Art Konfetti-Ersatz. Immerhin innovativ.




Wie auch immer, es gab so einige Merkwürdigkeiten. Zum Beispiel das Aquarium im Altarraum, die zwei Throne und nicht zu vergessen, die sich wiederholenden Polonaisen durch die Kirche.

Irgendwann war es dann aber geschafft. Und die gesamte Kirchgemeinde, also etwa 350 Personen, machte sich auf den Weg. Die Lokalität wurde gewechselt. Ein paar Kilometer weiter fanden wir auf einem Feld Festzelte, ein aufgebautes Buffett und natürlich einen Alleinunterhalter mit Mikrofon und ohne Hemmungen.

Uns wurde ein ganz netter Platz zugewiesen und ein Anstellen an der langen Schlange am Buffett wurde uns verwehrt. Nein, das ginge nicht. Und so wurden wir schnurstracks nach vorne geführt.


Das Essen schmeckte ganz passabel. Es war allerdings mittlerweile auch schon nachmittags um drei und der Hunger war groß. Da die Zelte auf nahezu freiem Feld aufgebaut waren, fegte der Wind immer mal wieder eine ordentliche rote Sandwolke über die Teller und das Essen. Machte uns nun mittlerweile auch nichts mehr aus.

Als Getränk bot der Cateringservice etwas ganz besonderes an:


Eigenes, ganz persönliches Hochzeitswasser. Auf der Rückseite wurde dann auch noch die gleiche Möglichkeit der Flaschenpersonalisierung für Geburtstage oder Beerdigungen beworben.


Ein Wasser also, für alle Gelegenheiten. Ob dann allerdings bei den Beerdigungen das Foto des Verstorbenen auf das Etikett gedruckt wird... das wäre schon interessant.

Und wieder gab es Tanz und Spiele und Polonaisen. Der Zeremonienmeister scheute nix.



Bei einem der Spiele wurden unsere Männer eingebunden. Wir dazugehörigen Frauen mussten sie dann auslösen, ansonsten wären sie versteigert worden. War schwierig, da diese Ansagen und Erklärungen nur in Suaheli gemacht wurden. Wohlweislich in der Annahme, dass wir weißen Frauen unsere Männer dort sitzen lassen. Der Zeremonienmeister hätte nämlich seine helle Freude an der Versteigerung gehabt.


Aber da war sie wieder. Die weltweite, Kontinente und Hautfarben ignorierende, Solidarität unter Frauen. Wir wurden sozusagen von unseren kenianischen Sitznachbarinnen aufgeklärt und in Richtung unserer Männer geschickt. Mit der klaren Ansage, sie UNVERZÜGLICH und SOFORT abzuholen. Haben wir gemacht und unsere Gatten waren sichtlich erleichtert.


Auf den Genuß der Hochzeitstorte haben wir dann allerdings verzichtet. Hübsch sah sie aus, aber selbige stand den gesamten Tag über in der Sonne.


Was bleibt zu sagen? Es war großartig, laut, fröhlich und ein bißchen scary.

Danke an Duncan & Rosalyn, dass wir diesen großartigen Tag mit euch gemeinsam erleben durften.


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