Mannomann, war das eine Woche.....
Der Einstieg gelang mir ja als meine eigene Patientin. Magen-Darm war das Motto. Und während die Kinder und ich uns montags noch kaum aus der Nähe der Badezimmer trauten und Bettwärme genossen, sah der Dienstag schon anders aus. Zumindest für mich. Viele Jahre Schichtdienst, permanente Unterbesetzung und wahrscheinlich auch ein angeborenes ,nicht rational zu erklärendes' Helfersyndrom trieben mich bereits am Dienstagmorgen aus dem eigenen häuslichen Schutzraum hinein ins medizinische Durcheinander. Da hatte ich doch auf Milde gehofft. Und nur ein paar Patientinnen. Sozusagen zum Antesten, wie weit ich es schon schaffe. Pustekuchen. Bereits am frühen Morgen hatten sich 28 Frauen angemeldet. Na dann....
Während Raphael sich also daheim in meiner Abwesenheit mit einer Riesentafel Schokolade selbst kurierte....
....hörte ich mir in der Sprechstunde die unterschiedlichsten Geschichten an. Ihr kennt ja bereits aus meinen Erzählungen das allgemeine Spektrum aus "ich werde nicht schwanger", "ich möchte nicht schwanger werden" bis hin zu "ich bin schwanger". Und so ging das also die Woche durch bis heute Nachmittag. An die hundert Mädchen und Frauen. Jede einzigartig. Und es war wieder alles dabei. Von septischer Nierenentzündung, einem gigantischen Ovarialtumor bei einer 7-jährigen, einer seit 35 Jahren liegenden Spirale (ich weiß nicht, ob ich jemals vorher so ein Modell gesehen habe), einem beidseits bis auf die Muskulatur herunter weggefressenen Brustkrebs und einer Frau, deren vor 12 Jahren geborenes Kind an einer Deformität der Beine leidet. Damals hatten ihr die Ärzte erklärt, schuld daran wäre ihre Gebärmutter. Und nun nach 12 Jahren war der Wunsch nach einem zweiten Kind so groß, dass sie mal ihre Gebärmutter untersuchen lassen wollte. Letztendlich war alles hübsch. Manchmal kann man bei diesem hanebüchenen Unsinn nur den Kopf schütteln.
Zwischendurch hatte ich noch zwei Medizinstudenten aus Deutschland als Hospitanten, welchen in den zwei Stunden ihrer Anwesenheit Augen und Ohren schlackerten. Hier sieht man einfach Dinge, die man wahrscheinlich in Deutschland nur aus Büchern kennt.
Und zwischen all dem Gewusel, fragte mich eine der Patientinnen (bereits auf dem Untersuchungsstuhl liegend), ob ich auch andere als medizinische Dienste anbieten würde. Hä? Hatte ich da richtig gehört? In der Tat. Sie fragte mich, ob ich bereit wäre, sie zur Bank zu begleiten. Sie hätte doch tatsächlich in erworbenen Second Hand Klamotten einen 1.000.000 Dollar Schein gefunden. Allerdings besitze sie gar kein Bankkonto, aber ich hätte doch bestimmt eine Bank. Und jetzt wäre sie so glücklich und möchte ihn einlösen. Ich durfte das gute Stück sogar mal in Augenschein nehmen. Ach du meine Güte! Eine junge Frau, Mitte zwanzig, bettelarm, mit einem kleinen Mädchen auf dem Schoß und nun seit vorgestern im Land der Träume. Von einem Leben ohne Not, ohne Hunger, ohne Leid.
Nun gab es allerdings drei Probleme: Erstens biete ich nur medizinische Dienstleistungen an, Zweitens handelt es sich um Spielgeld und Drittens: wie bringe ich es übers Herz, diesen Traum zu zerstören? Wir haben ihr dann gemeinsam ganz vorsichtig erklärt, dass es sich wahrscheinlich nicht um echtes Geld handelt. So richtig geglaubt hat sie uns nicht, nächste Woche will sie es bei einer Bank versuchen.
Und während wir uns also mit Geld- und Bankproblemen herumschlugen, hackte sich vorm Fenster einer der Gärtner im Häcksler den Finger ab. Und zwar richtig! Wenn schon, denn schon...
Und ich dachte immer, nach Geburten muss man am meisten putzen. Man lernt eben nie aus...
(der Gärtner wurde dann ins Krankenhaus gefahren, der Finger war allerdings dank Häcksler nur noch in Kleinteilen vorhanden und somit unrettbar).
Und vorgestern, als ich gerade Schluß machen wollte und wir mit der letzten Patientin durch waren, standen vor der Tür 5 Patientinnen vom Vormittag. Alles sehr nette ältere Damen. Eigentlich waren alle gut versorgt. Es handelte sich bei ihnen um Nachkontrollen oder andere Kleinigkeiten. Nun war es aber geschehen, dass eine ihrer Freundinnen an diesem Tag einen kompletten Gynäkologischen Checkup bekommen hatte. Den machen wir pro Frau einmal im Jahr. Und dazu gehört nun eben auch die Untersuchung der Brüste. Das fanden diese fünf so toll, dass sie also zurückkamen und fragten, ob ich das nicht auch noch machen könnte. Das sind dann so Momente, wo auch mir der Mund offen stehen bleibt. Was solls, hat mich ne halbe Stunde gekostet und alle fünf sind gemeinsam fröhlich schnatternd nach Hause.
Wow. Was es so alles gibt...
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