Dienstag, 29. Juni 2021

Auf ein Neues - Rückblick und Ausblick

Ein paar Tage sind nun seit der Reise nach Marsabit vergangen. Und ich bin so dankbar, diesmal von drei wunderbaren Freundinnen begleitet worden zu sein. Zu zeigen, wie es da draußen wirklich ist, außerhalb der Expat-Bubble Nairobi. Mal nah dran zu sein, zu helfen, zu verstehen und zu unterstützen. 

Bei den Besuchen und in den Gesprächen mit Schuldirektoren und den Schulmädchen sehe ich immer wieder, wie groß die Not ist und wie dankbar die Unterstützung mit den waschbaren Menstruationsbinden angenommen wird.





Ich lasse nach wie vor die Beutel mit den waschbaren Sanitary Pads in Projekten nähen, in denen junge Teenagemütter eine Nähausbildung erhalten. Sie bekommen dadurch die Möglichkeit, für sich und ihr Baby in Zukunft eine Möglichkeit zu haben, den Lebensunterhalt zu verdienen. Zumindest einen kleinen. Zuletzt habe ich in Kisumu produzieren lassen. 

Jedes Päckchen enthält neben vier waschbaren Menstruationsbinden und zwei Slips auch noch einen Transportbeutel und eine Gebrauchsanweisung mit vielen Bildern. 

Ich sehe immer wieder, dass der Großteil der Mädchen keine Unterwäsche besitzt. 

Oben im Norden ist es besonders bitter. Hier müssen Frauen und Mädchen, die sich nicht mit Hygieneartikeln versorgen können, in einem Erdloch hocken, solange sie bluten. Tagelang. Schulbesuche sind so natürlich nicht möglich und das Lernpensum nach einiger Zeit nicht mehr aufholbar. Oft resultieren daraus schlechtere oder gar keine Schulabschlüsse. 

Aber die Mädchen haben Träume. Viele erzählten mir von ihren Berufswünschen. Anwältinnen und Journalistinnen stehen hoch im Kurs. Und die Mädchen sind fleißig und wollen so gern. 

Ein Beutel kostet umgerechnet 4 Euro.  Und damit können wir einem Mädchen 12-15 Monate eine Schulausbildung ohne menstruationsbedingte Fehlzeiten schenken. Und nicht nur das. Wir sprechen über Blutungen, Probleme und alles, was die Mädchen an Fragen haben. Das Feld ist weit.....

Lasst uns ihnen helfen. Wenigstens ein Stück auf ihrem Weg. 

Wer ein paar der Beutel spenden möchte kann sich gern bei mir melden (berit@lattorff.de).

Ende Oktober / Anfang November werde ich mich wieder auf die Strümpfe machen. Mit neuen Pads  mehr Schulen besuchen. Gerne auch wieder mit Freunden. Meldet euch einfach. 

                       

Dienstag, 22. Juni 2021

Laisamis Tag 2 oder Die magische Zehn

Heidewitzka, es gibt Sachen........

Momentan ist es wahnsinnig schwer, um nicht zu sagen nahezu unmöglich, in Kenia seine Covid-Zweitimpfung zu bekommen. Nicht nur für medizinisches Personal oder Lehrer, nahezu für jeden. Die Fristen für die Zweitimpfung sind bei vielen bereits überschritten und die Hoffnung, einen Shot der erst gestern im Land eingetroffenen 315.000 Astra-Dosen zu ergattern, nicht hoch. 

Was soll ich sagen....man muss nur wissen wie. Das Geheimnis liegt darin, ins Nirgendwo zu fahren. In die Wüste. Dahin, wo es sonst kaum etwas gibt. Und unterwegs ein lokales Krankenhaus zu besuchen.


Nun ist Krankenhaus leicht übertrieben, es handelte sich um ein paar wenige Baracken. Aber egal. Jedes Impffläschchen gibt 10 Dosen her. Nun gibt es hier in der Wüste nur wenige Impfwillige, zudem dürfen derzeit nur Zweitimpfungen vorgenommen werden. Und Fläschchen werden nur angestochen, wenn zehn Leute zusammenkommen. Was waren wir also willkommen. Cordula und Nurse Esther, beide die einzigen aus unserer Truppe, denen die Zweitimpfung noch fehlte,  machten also die 10 voll - und kurzerhand ihre Oberarme frei und zack, saß der Schuss. 

Unglaublich. Man muss nur wissen wie und wo. Stephen, unser lokaler Guide und Social Worker, wusste es. Ich sollte vielleicht umsatteln auf ein neues Business. "Impfreisen mit Daktari Berit". Könnte ein Erfolg werden....

Der Klinikdirektor war wirklich nett und hat mich eingeladen, im Herbst ein Gynäkologisches-Camp in seinem Krankenhaus zu veranstalten. Also an zwei oder drei Tagen im Akkord gynäkologische und geburtshilfliche Untersuchungen für die Einheimischen, sowie  Samburu- und PokotNomaden anzubieten.  Mache ich gern. (Falls sich eine meiner ehemaligen deutschen Kolleginnen angesprochen fühlt, ich nehme gerne einen von euch mit).

Die Schulbesuche im Anschluß waren wunderbar. Meine Mädels Crew (Sandra, Lisa, Esther und Cordula) war mittlerweile voll in ihrem Element und engagiert mit Feuereifer in den Schulen dabei, die Mädchen in Kleingruppen zu betreuen. 


Mittlerweile haben wir die halbe Rückfahrt hinter uns und sitzen in den Aberdares auf Sandai bei Rotwein oder Gin&Tonic am Kaminfeuer und lassen die letzen Tage Revue passieren. 

Wir haben richtig was geschafft und ich bin stolz auf die Mädels, und voller Dankbarkeit, dass sie mich auf dieser Reise so unglaublich tatkräftig unterstützt haben. 

Die beste Crew ever........


Montag, 21. Juni 2021

Laisamis - Tag 1

Es ist spät. Ich sitze auf meinem Bett unter einem kitschigen, aber funktionellen Mückennetz und denke über den Tag nach. Schön wars. Und erfolgreich. Heiß, windig, staubig, wie in der Wüste eben. 

Wir haben insgesamt über den Tag verteilt drei Schulen besucht. Ich überlege die ganze Zeit, wie ich das alles in Worte fassen soll. Es ist schwer. 

Heute lasse ich einfach mal die Bilder für sich sprechen.




















Für morgen zeichnet sich zunehmend eine kleine Sensation ab. Warten wir´s ab.....

Sonntag, 20. Juni 2021

Von Pullerpausen, komplizierten Schlössern und Wüstenglow

Und nun sind wir unterwegs. Ist schon spannend, mit vier Frauen, allesamt Mütter von mehr oder weniger großen und kleinen Kindern, in einem Auto gemeinsam unterwegs zu sein. Es ergeben sich völlig ungeahnte und unerwartete Schwierigkeiten. Während alle vier das Ausbleiben von Fragen wie "Wann sind wir endlich da?", "Wie lange noch?" bis hin zu "Warum müssen wir überhaupt wegfahren?" oder "Mir ist schlecht" genießen, erschloss sich uns ein völlig ungeahntes Problem. Nämlich "Wo ist der richtige Ort für eine Pullerpause?". Hier gibt es tatsächlich unterschiedliche Präferenzen. Nicht einsam genug, ein Mensch in der Nähe, Büsche zu spärlich, gar keine Büsche, Büsche nur auf der anderen Straßenseite.... Naja, wir haben irgendwann den idealen Platz gefunden und sind dann, wie Mädchen das so machen, in Zweierteams ins Gebüsch. Klassisch eben....

Die Fahrt hoch nach Marsabit war durchaus spektakulär. Vorbei an Ananasplantagen, den Aberdares, dem Mount Kenia zu unserer Rechten, entlang an Hopfenplantagen und Rapsfeldern, Stop am Äquator, weiter durch das atemberaubende Samburu, Überqueren ausgetrockneter Flussbetten bis hinein in das County Marsabit. 







Unterwegs, ganz am Ende von Samburu wollte doch tatsächlich das erste mal in meinem kenianischen Leben ein vermummter Herr in Uniform (ich weiß nicht, ob Polizei oder eher Militär) meinen Ausweis sehen. Unsere Antwort auf seine Frage, wohin wir reisen würden, fand er glaub ich nicht so toll. Ist ja auch manchmal etwas unruhig hier oben. Gott sei Dank hatte ich meine Diplocard dabei. Das half zumindest, dass er nicht mehr nach meinem Führerschein fragte. Den hab ich nämlich gar nicht dabei. Der alte war abgelaufen und ein neuer ist zwar beantragt, aber die Mühlen mahlen hier sehr langsam. Ich bin auch tatsächlich gespannt, wie der neue, wenn er denn irgendwann mal ausgestellt sein sollte, aussehen wird. Mein letzter wurde irgendwo in einem kenianischen Gefängnis von Insassen gebastelt. So sah er auch aus! Als ob Übeltäter oder Bösewichte Basteltalent hätten.....

Nun sind wir jedenfalls hier in Laisamis angekommen. Irgendwo im Nirgendwo. Es ist trocken, es ist heiß, es ist staubig, es ist windig. 

Die Unterkunft ist absolut akzeptabel. Für ca. 10 Euro pro Person bekommen wir Einzelzimmerunterkunft mit Frühstück. Das Einchecken war einfach. Allerdings ist das Öffnen der Zimmertüren ein Abenteuer. Für Kenianer wohl bekannt, standen wir deutschen Frauen etwas ratlos vor unseren Zimmertüren. Man muss in ein Loch greifen, dann die Hand im Loch nach oben drehen. Dort findet man dann nahezu unerreichbar ein Vorhängeschloss, in welches man, bei beengtem Platzangebot und ohne Sicht einen Schlüssel stecken soll. Das ist Puzzelarbeit im Irgendwo. Für eine zweite Hand ist die Öffnung zu klein. Irgendwie geht es dann, aber es dauert verdammt lange, macht Krach und jedesmal hat man schon beim Aufschließen Sorge, weil ja das Abschließen ähnlich kompliziert ist. 

Ob nun vom komplizierten Öffnen der Zimmer, der Freude über das Ankommen oder die Entspannung bei dem ersten Soda im Garten, unsere Gesichter leuchteten. Lisa gab dem Ganzen einen Namen - der "Wüstenglow". Ich finde er steht uns.

Zu uns gestoßen sind hier am Nachmittag zuerst Amina, eine lokale Health Workerin, die sich hier oben ganz engagiert für Frauenrechte und Mädchen einsetzt und unermüdlich Aufklärungsarbeit in den Dörfern gegen die immer noch praktizierten Beschneidungen macht. Und später traf noch Stephen ein, der früher hier mal Gesundheitsminister war und mir mit seinen Kontakten enorm geholfen hat, die Termine mit den Schuldirektoren zu vereinbaren. 


Die Truppe ist nun also komplett. Die nächste Lagebesprechung erfolgt beim Frühstück morgen früh und dann gehts auf in die Schulen.

Ich werde berichten.....


Samstag, 19. Juni 2021

Von Schutzengeln, Stullenalarm und Sanitary Pads

Was lange währt wird endlich gut? Ich weiß nicht, das mag ja für einige Dinge im Leben zutreffen. Für vieles aber eben nicht. Diese wahnsinnig lange Zeit der Coronatrennung machte uns und unseren Kindern jedenfalls arg zu schaffen. Man kann das ganz gut überbrücken, aber es gibt Situationen, da geht es eben nicht mehr. Gott sei Dank war es mir möglich in der vergangenen Woche völlig ungeplant und mehr Hals über Kopf in einer doch notfälligen Situation, ein paar Tage zu den großen Kindern zu fliegen. Es war gut und nötig. In drei Wochen werde ich wieder dort sein. 

An meinen Schutzengel        

Den Namen weiß ich nicht. Doch bist du einer
Der Engel aus dem himmlischen Quartett,
Das einstmals, als ich kleiner war und reiner,
Allnächtlich Wache hielt an meinem Bett

                                                        Wie du auch heißt – seit vielen Jahren schon
                                                         hältst du die Schwingen über mich gebreitet
                                                               Und hast, der Toren guter Schutzpatron,
                                                         Durch Wasser und durch Feuer mich geleitet.

Du halfst dem Taugenichts, als er zu spät
das Einmaleins der Lebensschule lernte,
Und meine Saat, mit Bangen ausgesät,
Ging auf und wurde unverhofft zur Ernte.

Seit langem bin ich tief in deiner Schuld,
Verzeih mir noch die eine – letzte – Bitte:
Erstrecke deine himmlische Geduld
Auch auf mein Kind und lenke seine Schritte.

Er ist mein Sohn, das heißt: er ist gefährdet.
Sei um ihn tags, behüte seinen Schlaf.
Und füg es, dass mein liebes schwarzes Schaf
Sich dann und wann ein wenig weiß gebärdet.

Gib du dem kleinen Träumer das Geleit,
Hilf ihm vor Gott und vor der Welt bestehen,
Und bleibt dir dann noch etwas freie Zeit,
Magst du bei mir auch nach dem Rechten sehen.

Ein Gedicht an den Schutzengel von Mascha Kaléko

 

Seit gestern früh bin ich wieder zurück in Nairobi. Und bis auf die von meiner Mama mitgegebenen Stullen für den Flug (ich mag das Flugzeugessen nicht) war auch alles unkompliziert. Mamas Stullen nämlich brachten die Beamten an der Sicherheitskontrolle des neuen BER tüchtig ins Schwitzen. Sie lösten nämlich Alarm aus. Da mir auf meinen Flügen seit Jahren immer seltsame Dinge passieren, bringt mich so ein Alarm nicht mehr aus der Ruhe. Es brauchte jedenfalls mehrere Durchleuchtungen, mehrmaliges Ein- und Auspacken in einem gesonderten Bereich und insgesamt drei (!) Sicherheitsbeamte, um herauszufinden, dass die Alufolie Ursache des Übels war. Einer der Beamten bekam tüchtig Appetit, die Leberwurststulle duftete....und es war Mittagszeit - ich habe ihm nichts abgegeben. Immerhin durfte ich dann samt Proviant passieren.

Und nun habe ich einen Tag, um die nächste Reise vorzubereiten. Die Reisen zu den Schulmädchen mit den waschbaren Sanitary Pads mussten auch aufgrund von Corona wieder und wieder verschoben werden. Egal, nun aber endlich, morgen früh gehts los. Ganz weit hoch in den Norden. Dahin, wo es am nötigsten ist. 

Ich werde begleitet von drei wunderbaren Freundinnen und meiner Sprechstundenhilfe Esther aus dem Medical Center. Mit zwei Autos, 850 Beuteln of Sanitary Pads, zusammengewürfeltem Proviant, einem Erste Hilfe Koffer für Notfälle, guter Laune und einigen Flaschen Rotwein machen wir uns morgen früh auf die weite Reise. 

Auf ins nächste Abenteuer.......