Donnerstag, 8. Dezember 2022

"Burbisa und der Besuch bei den Gabra oder Wie es zum Schluss noch spooky wurde"


Die letzten zwei Tage liegen nun hinter uns. Unser Weg von Marsabit viele Kilometer weiter in den Norden begann in dichtem Nebel. Im Schritttempo tasteten wir uns vorwärts. Reverend Jeremiah begleitete uns. Das war auch gut so, weil es dort oben seit einigen Tagen zwischen den Gabra und den Burana blutige Stammeskämpfe gibt. 

Irgendwann lichtete sich der Nebel und uns lag wieder das atemberaubende Afrika zu Füßen. 



Es ist wirklich unglaublich, aber wieder und wieder macht mich dieses Land fassungslos. Meistens ist die Schönheit der Grund, leider oft auch unfassbare Umstände. Nun darf man allerdings nicht denken, dass die Menschen hier pausenlos unglücklich sind. Hunger und Durst sind allerdings nur durch Nahrung und Wasser zu stillen. US Aid, die Welthungerhilfe, das World Food Program und und viele kleine Projekte versuchen hier punktuell zu lindern. Cargo Human Care hat mit Spendengeldern einen Brunnen in Bubisa gebaut. Und genau dieser Brunnen ist die Vorraussetzung, dass wir mit unserem Sanitary Pad  Projekt Busisa besuchen können. Denn ohne Wasser geht es nicht. 

400 Frauen und Mädchen kamen aus allen Himmelsrichtungen in ein kleines Gesundheitszentrum, mitten im Nirgendwo. 400 Frauen und Mädchen, die in der Mehrzahl kein Swahili und kein Englisch, sondern nur Stammessprache sprechen, hörten aufmerksam zu. Interessant ist, dass es immer, wenn wir die Schlüpfer auspacken zu herrlichem Gelächter kommt. Da wird gegackert wie die Hühner. Ein Heidenspaß. 

  



  

       

Neben dem Gesundheitszentrum nahm uns der Reverend noch mit in ein kleines Gabradorf. Jedes Dorf ein Clan. 

 




Mir ist nicht klar, wie man in solch einer unwirtlichen Umgebung überleben kann. Nur Steine, 35 Grad im Schatten, kein Pflänzchen. Momentan ist es der Brunnen, der die Nomaden an diesem Ort überleben lässt. Wahrscheinlich ziehen sie weiter, falls es irgendwann mal regnen sollte. Aber ob das je passiert?

Schwer bepackt mit Eindrücken und tausenden Bildern im Kopf machten wir uns dann am Nachmittag auf den Heimweg. Bis Timau wollten wir es schaffen. Ausgesucht hatten wir eine kleine Low Budget Unterkunft, die wir dann irgendwo im Hinterland auch fanden. Ich weiß nicht, ob es dort jemals andere Gäste gibt. Es war irgendwie spooky, obendrein Vollmond, roch intensiv nach Gras und erinnerte mich an die Titty Twister Bar von Tarantino, in der dann nachts das Personal zu Vampiren mutiert. 



Ist zum Glück nicht passiert. 

Nun sind wir nach langer Fahrt wieder gut zuhause angekommen. Müde, geschafft und doch voller unbezahlbarer Eindrücke. 


Ohne all eure Einzel-Spenden für die Pads und ohne die Unterstützung des Projektkreises Genf und Cargo Human Care wäre diese Reise nicht möglich gewesen. Ihr habt so vielen Mädchen und Frauen für viele Monate geholfen und damit Schulbildung trotz Menstruation ermöglicht. Stigmata aufzuheben und Frauen und Mädchen unabhängiger zu machen, das war und ist unser Ziel. 

Ich leite euch gerne die Nachricht von Amina, einer lokalen Sozialarbeiterin aus Bubisa weiter, die heute heute schrieb

                    Thanks for touching so many lives with your big warm hearts.                                                                  May our dear God reward your efforts. May our dear God continue                                                         to replenish as you continue spreading your wings of love around the world.









Dienstag, 6. Dezember 2022

Laisamis/Karare/Marsabit

Eigentlich hatten wir nach dem gestrigen Marathon einen etwas ruhigeres Programm für heute geplant. Planen kann man viel, im Leben läufts dann oft anders. 

Gleich morgens nach dem Frühstück besuchten wir das kleine Krankenhaus in Laisamis. Ordensschwester Tabitha nahm sich viel Zeit für uns. Eigentlich handelt es sich um eine ehemalige Missionsstation. Es gibt eine Ambulanz und auch einen stationären Bereich, der aus zwei großen Sälen mit jeweils 10 Betten besteht. Einer für Männer, einer für Frauen und Kinder.  Ärzte gibt es keine. Wohl aber einen Raum zum Entbinden,  aus einer Spende ein nagelneues Ultraschallgerät (was aber niemand bedienen kann) und ein komplett eingerichtetes Zimmer für einen Zahnarzt - falls mal einer kommt - also ein Zahnarzt, Patienten gibt es unzählige.






Früher wurden Schwangere 4 Wochen vor der Geburt aufgenommen. Sie kommen als Nomaden ja meist von weit her. Heute geht das nicht mehr. Kein Personal, kein Geld. Entbindungen gibt es trotzdem noch im Krankenhaus. Etwa 20-30 pro Monat. Zum Glück geht meist alles glatt. Aber falls nicht müssen die Frauen ins nächste größere Krankenhaus verlegt werden. Das ist 110 km weit entfernt. Einen Krankenwagen gibt es nicht, also erfolgen solche Verlegungen unter der Geburt mit dem öffentlichen Verkehr. Busse kommen ja ab und zu vorbei. Meistens sterben Mutter und Kind unterwegs. 

Heute besuchten wir eine junge Frau, die mit ihrem Kleinkind stationär aufgenommen wurde. Der Kleine hat einen ausgeprägten Wasserkopf. Behandeln kann man das hier nicht. Für alle anderen Möglichkeiten gibt es kein Geld. Mittlerweile liegt der Junge im Sterben, es ist nur noch eine Frage von Tagen. 

Auch wenn ich im Laufe der vielen Jahre gelernt habe, dass man nicht jedesmal mitsterben kann, fällt es manchmal einfach schwerer...

Die Fahrt nach Marsabit Town war dann etwas bedrückt. Zum einen bedingt durch die Umstände im Krankenhaus, zum anderen durch die uns umgebende Wüstenlandschaft. Geregnet hat es hier dieses Jahr einmal. Für eine Stunde an einem Tag im Mai. 


Am Nachmittag begleitete uns Reverend Jeremiah. Ein unglaublich beeindruckender Pfarrer, der sich mit seinen 76 Jahren immer noch mit ungebremsten Elan für seine Gemeinde/Diocese einsetzt. 

Auf unserem Weg nach Karare wunderten wir uns über ungezählte Frauen, die im Nirgendwo am Straßenrand standen. Auf Nachfrage erzählten sie, dass mehrfach geschossen wurde. Frauen und Kinder sind zur Straße geflüchtet, die Männer sind alle zum Kämpfen im Busch. Borana gegen Gabra. Das sind Tribekämpfe der Nomadenvölker. Immer sehr gewalttätig und gefährlich. Da geht es tatsächlich ums Stehlen von Vieh und ums Morden. Ich kannte sowas aus Filmen, hier ist es Alltag. 

Wir besuchten gemeinsam mit Reverend Jeremiah eine Schule in Karare. Diesmal mit unglaublich schlauen, neugierigen und sehr aufgeschlossenen Mädchen. Es kommt nicht oft vor, dass uns so viele Fragen gestellt werden und von den Mädchen auch Dinge hinterfragt werden. 




Auf dem Heimweg besuchte der Reverend mit uns noch ein kleines Dorf. Hier leben Rendille. Eine Familie - ein Dorf. So ist das hier. Fernab von jeglichen Touristendörfern. Das hier war authentisch und echt. Und wir wurden mit offenen Armen begrüßt und in die Hütten eingeladen. 




Mit Schwester Tabitha stehe ich in Kontakt. Für  März oder April planen wir ein gynäkologisches Medical Camp. Vielleicht 2 oder 3 Tage. Vielleicht findet sich ja noch eine Zahnärztin/Zahnarzt, der mitkommen möchte. 





Montag, 5. Dezember 2022

Was für ein Geschenk...

Geburtstage können ja ganz unterschiedlich sein. Meiner war heute grandios. Ungewöhnlich und herzerwärmend. Weit weg von zu Hause und doch mit so vielen guten Wünschen und ganz besonderen Begegnungen gesegnet. Was für ein Geschenk....

Mrs. Lenigma und ihre Cousine Angelina, die sich später als Tierärztin vorstellte, waren überpünktlich zum Frühstück erschienen. Leider verspätete sich dafür das Frühstück selbst, weil der Koch, statt wie gewünscht um 9 Uhr zu servieren, dann erst anfing seine Küche anzuheizen. Störte uns aber nicht weiter. 

Und irgendwann dann, nach Pfannkuchen, Bohnen, Kartoffeln und Würstchen ging es los. Zuerst in eine Schule und dann irgendwie quer Beet. Wir haben Frauen und Mädchen in Schulzimmern getroffen, unter Bäumen, auf Dorfplätzen und im privaten Wohnzimmer eines pensionierten Chiefs der Army. Soll uns erstmal einer nachmachen....






Neben vielen neuen Gesichtern habe ich auch Mädchen getroffen, die wir vor anderthalb Jahren schon besucht hatten. 

Zum Beispiel Marissa, die immer noch Anwältin werden möchte. 

Das hier ist Joyce, ein Samburu Mädchen. Joyce ist 15 Jahre alt und seit 3 Jahren verheiratet. Joyce spricht weder englisch, noch Kiswahili. Nur Samburu. Sie kann deshalb den regulären Unterricht nicht besuchen und lernt jetzt in einer kleinen Nachmittagsklasse etwas Lesen und Schreiben. 


Neu ist, dass wir diesmal auch zeitgleich mit den Jungs arbeiten. Das übernimmt Augustin, der, während wir mit den Mädchen sprechen, mit den Jungs über Hygiene, Pubertät und Kinderechte spricht. 

Morgen früh bekommen wir eine kleine Führung durch das hiesige Krankenhaus. Und dann gehts 110 km weiter in den Norden nach Marsabit Town und Karare. 



Falls ihr Lust habt die nächste Reise zu unterstützen, ein Beutelchen mit 4 waschbaren Sanitary Pads und 2 Slips kostet ca. 500 Ksh (4,50 Euro) und kann bis zu 1,5 Jahren genutzt werden. 



Sonntag, 4. Dezember 2022

Auf nach Laisamis

Menschenskinder, was hat es heute früh geregnet. Aus allen Löchern. Katzen und Hunde. Regen ist hier in Kenia Segen. Und wir nahmen den Regen mit. Von Nairobi, über die Aberdares, vorbei am Mt. Kenya, quer durch Laikipia und Samburu bis hin nach Marsabit. In Gegenden, in denen es seit Monaten oder Jahren nicht geregnet hat. Das war wunderschön und bisweilen auch etwas surreal anzuschauen. 







Eine lange, aber entspannte Fahrt liegt nun hinter uns. Vorbei an Tälern, Plantagen, Wäldern, Gebirgen und Wüsten. Bis auf einige Kamele, zahllose Rinder und Ziegen, zwei Giraffen, einen sehr behäbigen Esel, zwei Schakale und diverse Affen waren die Straßen frei. Nur wenige Polizeikontrollen am Straßenrand, die Katharina und ich Dank freundlichem Winken und Lächeln alle ungehindert passieren durften. Unsere kenianischen Begleiter wurden stets rausgezogen. 

Unser Gästehaus ist sauber und freundlich. Die Schlösser zu unseren Zimmern leider noch die selben, wie im letzten Jahr. Das ist schon wirklich eine Herausforderung.  Selbst für meine Gynäkologenhände. Katharina übt sich fleißig. Ich meinerseits habe aufgegeben und die darin geübte Esther als Türöffner und -schließerin angestellt.  Das erspart mir hier im warmen Wüstenklima zumindest einige Schweißausbrüche.

Das WLAN Passwort ist etwas seltsam. "orderadrink". Naja, hat dann nach mehreren Anläufen, also dem Eingeben und zusätzlichen Ordern von mehreren Drinks auch geklappt. Mir ist nicht ganz klar geworden, ob man erstmal eine Mindestmenge konsumieren muss, bis man eingeloggt wird. Aber egal.

Katharinas Frage nach dem Vorhandensein von Zigaretten wurde beantwortet mit "Nein, aber wir haben Bier". Na das nenn ich mal innovativ und lösungsorientiert. Ihr seht, es gefällt uns gut hier. 

Morgen zum Frühstück erwarten wir Stephen, Mrs. Lenigma und ihre Cousine (die mitkommt, weil wir zum Frühstück eingeladen haben ;-). Und dann gehts los....